Die Fermentation von Gemüse ist wie ein Konzert verschiedener Mikroorganismen. Ausgehend von der natürlichen Mikroflora, die bereits auf der Pflanze vorhanden ist, vermehren sich zu Beginn Deines Fermentationsexperimentes die aeroben Mikroorganismen, also diejenigen, die Sauerstoff für ihr Wachstum benötigen. Dazu gehören Hefen, Schimmel und diverse Bakterien. Nach und nach verbrauchen sie den Restsauerstoff, der sich beispielsweise noch zwischen Deinen gut gestampften Kohlblättern befindet und bilden dabei Geschmacksstoffe wie Säuren, Alkohole und Ester. Nach 2 bis 3 Tagen beginnt plötzlich das grosse Blubbern. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die anaeroben (ohne Sauerstoff wachsenden) Bakterien übernommen haben. Die sogenannten heterofermentativen Bakterien wandeln Zucker in Milchsäure und Ethanol um. Dabei entsteht CO2 was zu diesem Blubbereffekt führt, der bei mir regelmässig das Fass äh.. Glas zum Überlaufen bringt. Wieder einmal ein Beweis, dass Frau nicht immer aus ihren Fehlern lernt… Die gebildete Milchsäure führt dazu, dass das Produkt langsam sauer zu schmecken beginnt. Weitere 2 bis 3 Tage später hat der Spuk aufgehört und kein Gas wird mehr gebildet. Die heterofermentative Flora wird durch eine mehrheitlich homofermentative Gemeinschaft abgelöst. Die neuen Herrscher über die Fermentation wandeln den Zucker nur noch in Milchsäure um und das Kraut wird jetzt erst recht sauer. Nach der 4- bis 6-wöchigen Fermentation erreicht dein Gemüse einen pH-Wert von 3.3 bis 3.8 was etwa der Säure von (ungezuckertem!) Orangensaft entspricht. In diesem Stadium kann es auch sein, dass Du einen weisslichen Belag auf der Oberfläche entdeckst. Die sogenannte Kamhaut- ja, dieses Ding hat tatsächlich einen Namen- besteht aus Hefen und Essigsäurebakterien. Sie ist gesundheitlich unbedenklich, kann jedoch den Geschmack Deines Fermentationsproduktes verändern und sollte daher abgeschöpft werden. Das coole an der sauren Geschichte ist, dass bei solch tiefen pH-Werten keine Verderbnis erregenden Bakterien mehr wachsen können und durch die Fermentation Lebensmittel haltbar gemacht werden können.
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