Alles tot oder was? Von der Sterilisation und Pasteurisierung

Fermentierte Produkte boomen und Fermentationsworkshops sind innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Ich selbst habe ein ganzes Regalabteil zu Hause für meine Fermentationsexperimente freigeräumt. Doch Fermentieren ist nicht die einzige Möglichkeit, Lebensmittel haltbar zu machen. Es gibt ein breites Spektrum an Techniken, die zum Ziel die Reduktion oder Eliminierung von Krankheits- und Verderbniserregern hat.

Eine bewährte Methode, die Du bestimmt schon von Deiner Oma kennst, uns aber auch sonst täglich über den Weg läuft, ist die Hitzebehandlung von Lebensmittel. Dazu entführe ich Dich auf eine kurze Zeitreise. Bereits im 18. Jahrhundert wurde die Wärmekonservierung vom Koch und Erfinder Nicolas Appert in der Form des Einkochens angewendet. Ein Meilenstein in der Haltbarmachung von Lebensmittel legte Louis Pasteur Mitte des 19. Jahrhunderts. Pasteur setzte sich unter anderem intensiv mit Gärung und Fäulnis auseinander und bewies, dass Lebensmittelverderb, anders als dazumal angenommen, kein abiotischer Prozess ist, sondern durch Lebewesen verursacht wird. Bestimmt kommt dir der Namen Pasteur irgendwie bekannt vor. Wie oft steht doch auf dem Lebensmittel, dass es pasteurisiert ist. Doch was genau bedeutet das genau?  Aus Pasteurs Forschungen zum Thema Gärung entwickelte dieser eine Methode, bei welcher das Lebensmittel auf eine Temperatur unter 100° C erhitzt wird. Inzwischen wird zwischen Niedrigerhitzung, Kurzzeiterhitzung und Hochpasteurisierung unterschieden. Die genannten Techniken unterscheiden sich in der Temperatur, auf die erhitzt wird und der Dauer der Heisshaltung. Was alle gemeinsam haben, ist die Inaktivierung von Pathogenen. Huch, einmal kurz Erhitzen und alles weg? Nö. Im Unterschied zur Sterilisation, wo alle Mikroorganismen abgetötet werden, gehen bei der Pasteurisierung nur alle Krankheitserreger drauf. Vergisst du die pasteurisierte (Soja-)Milch vor Deinen Ferien im Kühlschrank, erwartet dich trotzdem ein saures, ziemlich ungeniessbares Produkt als ‘Welcome back Home? Überraschung im Kühlschrank. Schade wars.

Und warum sterilisieren wir denn nicht alles? Ist ja echt doof, dass die Lebensmittel trotz Pasteurisierung noch verderben. Wenn das Leben doch so einfach wäre! Bei der Sterilisierung wird das Lebensmittel für mindestens 15 Minuten auf 110 bis 121°C erhitzt, damit eben alles was drin ist ziemlich tot ist. Doch nicht nur die Mikroorganismen mögen diese Hitze nicht. Auch die Vitamine gehen bei diesen Temperaturen drauf und es kommt zu beträchtlichen Geschmacks- und Farbveränderungen.

Sozusagen der Mittelweg ist die Ultrahocherhitzung, kurz UHT. Dabei wird dem Produkt auch ziemlich Feuer unter dem Hintern gemacht; es wird nämlich auf 135 bis 140°C erwärmt. Da dies jedoch nur für 1 bis 3 Sekunden geschieht, werden die Inhaltsstoffe mehrheitlich geschont und es kommt kaum zu Geschmacks- und Farbveränderungen. Der Clou dabei ist, dass auch Sporen (sehr resistenten Dauerformen, die von einigen Bakterien gebildet werden) bei der Ultrahocherhitzung abgetötet werden. Und was ist jetzt die beste Methode? Alle drei und keine, oder eben den Umständen entsprechend. Falls Du Deinen Rucksack für eine Exkursion in den Urwald packst, würde ich dir wohl Tropenkonserven empfehlen. Dort ist zwar alles ziemlich todgekocht, aber Du musst keine Angst vor eventuellen Verderbniserregern, die diese Wärme so wunderbar kuschelig finden, haben. Wenn Du dich gerade nicht auf einem Survivaltrip befindest tut es auch die pasteurisierte Milch, wenn du den Liter innerhalb einer gewissen Zeit aufbrauchst. Wenn du im Sommer am Abend eine Pastanight mit Freunden planst, kannst du auch ruhig die frischen Tomaten auf dem Markt kaufen. Wenn du… Schlussendlich kommt es wohl immer auf Deine Situation/Verwendung des Lebensmittels an und ich denke, Du bist nun informiert genug, um für Dich selbst entscheiden zu können ?.

Homo-, hetero oder ganz was anderes? Über die verschiedenen Phasen der Fermentation

Die Fermentation von Gemüse ist wie ein Konzert verschiedener Mikroorganismen. Ausgehend von der natürlichen Mikroflora, die bereits auf der Pflanze vorhanden ist, vermehren sich zu Beginn Deines Fermentationsexperimentes die aeroben Mikroorganismen, also diejenigen, die Sauerstoff für ihr Wachstum benötigen. Dazu gehören Hefen, Schimmel und diverse Bakterien. Nach und nach verbrauchen sie den Restsauerstoff, der sich beispielsweise noch zwischen Deinen gut gestampften Kohlblättern befindet und bilden dabei Geschmacksstoffe wie Säuren, Alkohole und Ester. Nach 2 bis 3 Tagen beginnt plötzlich das grosse Blubbern. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die anaeroben (ohne Sauerstoff wachsenden) Bakterien übernommen haben. Die sogenannten heterofermentativen Bakterien wandeln Zucker in Milchsäure und Ethanol um. Dabei entsteht CO2 was zu diesem Blubbereffekt führt, der bei mir regelmässig das Fass äh.. Glas zum Überlaufen bringt. Wieder einmal ein Beweis, dass Frau nicht immer aus ihren Fehlern lernt… Die gebildete Milchsäure führt dazu, dass das Produkt langsam sauer zu schmecken beginnt. Weitere 2 bis 3 Tage später hat der Spuk aufgehört und kein Gas wird mehr gebildet. Die heterofermentative Flora wird durch eine mehrheitlich homofermentative Gemeinschaft abgelöst. Die neuen Herrscher über die Fermentation wandeln den Zucker nur noch in Milchsäure um und das Kraut wird jetzt erst recht sauer. Nach der 4- bis 6-wöchigen Fermentation erreicht dein Gemüse einen pH-Wert von 3.3 bis 3.8 was etwa der Säure von (ungezuckertem!) Orangensaft entspricht. In diesem Stadium kann es auch sein, dass Du einen weisslichen Belag auf der Oberfläche entdeckst. Die sogenannte Kamhaut- ja, dieses Ding hat tatsächlich einen Namen- besteht aus Hefen und Essigsäurebakterien. Sie ist gesundheitlich unbedenklich, kann jedoch den Geschmack Deines Fermentationsproduktes verändern und sollte daher abgeschöpft werden. Das coole an der sauren Geschichte ist, dass bei solch tiefen pH-Werten keine Verderbnis erregenden Bakterien mehr wachsen können und durch die Fermentation Lebensmittel haltbar gemacht werden können.

Nicht nur Kohl kann fermentiert werden. Wie wäre es mit dieser Farbexplosion von rote Beete und Zwiebel als fermentierte Beilage zu Deinem Mittagessen?

Über den Zusammenhang von sauren Gurken und Milchprodukten

Als ich begann, mich intensiv mit Lebensmitteln zu beschäftigen und die Zutatenlisten hinten auf dem Lebensmittel zu lesen, entdeckte ich den Zusatzstoff E270, die Milchsäure. Ich fand Milchsäure in diversen Lebensmitteln; in Süsswaren, Limonaden, sauren Gurken bis zu Feinkostsalaten und ich war irritiert. Was um Himmels Willen sollen diese Lebensmittel mit Milch zu tun haben? Kann ich die nicht mehr essen, wenn ich auf tierische Produkte verzichte?

Glücklicherweise nicht. Denn Milchsäure ist zwar in Milchprodukten wie Yoghurt oder Sauermilch vor, ist an sich jedoch vegan. Es sind nämlich nicht die Kühe, die die Milchsäure herstellen, sondern die Milchsäurebakterien. Lactobacteriaceae sind eine Ordnung von grampositiven, fakultativ anaeroben Bakterien, die zur Energiegewinnung Zucker zu Milchsäure abbauen. Falls es dir nicht so ganz geheuer ist, ein bakterielles Produkt in deiner Nahrung zu haben, kann ich dich beruhigen. Denn die Ansäuerung von Lebensmitteln durch Milchsäure hat durchaus ihren Grund. Durch die Absenkung des pH-Wertes wird das Wachstum von Krankheitserregern im Nahrungsmittel gehemmt und somit die Haltbarkeit verlängert. Die Milchsäure kommt auch ganz natürlich in Lebensmitteln wie Sauerkraut, Kimchi oder Yoghurt (auch in der veganen Variante ?) vor. Diese Produkte werden in ihrem Herstellungsprozess mithilfe von Milchsäurebakterien fermentiert und sind dadurch besonders wertvoll für die Gesundheit. Milchsäurebakterien sind Bestandteil einer gesunden Darmflora und unterstützen unsere Verdauung tatkräftig. Sie helfen uns, bestimmte Nährstoffe besser aufzunehmen, produzieren Vitamine und nehmen unerwünschten Bakterien den Platz weg. Die Milchsäure, die bereits in den fermentierten Produkten enthalten ist, unterstützt die Eiweissverdauung und das durch die Mikroben gebildete Vitamin C unterstützt die Eisenaufnahme und fördert die körpereigenen Abwehrkräfte.

Wow! Kein Wunder, dass Sauerkraut so gehypt wird! Doch wie kommen die Milchsäurebakterien dort rein, fragst Du dich? Die Antwort ist simpel; sie sind bereits dort. Milchsäurebakterien sind wie es in der Fachsprache genannt wird, ubiquitär verbreitet. Auf gut Deutsch heisst das nichts anderes, als dass sie so ziemlich überall zu finden sind. Also auch auf dem Kohl, der fürs Sauerkraut verwendet wird. Die Kunst besteht darin, Bedingungen zu schaffen, bei denen sich die Milchsäurebakterien besonders wohl fühlen und einen Vorteil gegenüber den anderen vorhandenen Mikroorganismen haben. Ich habe bereits oben erwähnt, dass Milchsäurebakterien fakultativ anaerob sind. Falls Du damit nichts anfangen kannst, hier die Erklärung dazu: Anaerob heisst, dass die Bakterien ohne Sauerstoff wachsen. Das ‘fakultativ’ davor bedeutet, dass sie Sauerstoff zwar nicht benötigen, daran aber auch nicht gleich zu Grunde gehen. Für uns ist dieses Wissen nützlich, da wir den Milchsäurebakterien helfen können, indem wir den Sauerstoff aus der Gleichung entfernen. Beim Sauerkraut geschieht dies indem wir den Kohl mit Salz massieren, damit dieser schön weich wird und wir ihn kompakt und möglichst ohne Luftblasen ins Glas schichten können. Der dabei austretende Saft sollte den Kohl bedecken, damit eben kein Sauerstoff mehr zum Kohl kommt. Das verwendete Salz hat ebenfalls seinen Nutzen. Milchsäurebakterien gedeihen am besten bei einem Salzgehalt von 1,5 bis 2,2 Prozent, tolerieren aber auch etwas höhere oder tiefere Werte. Fermentiere ich anderes Gemüse wie beispielsweise Karotten, die keinen so hohen Wassergehalt wie Kohl haben, lege ich es in einer Salzlake ein, die den oben beschriebenen Salzgehalt aufweist (bei der Berechnung wird das Gewicht des Gemüses miteinbezogen). Bei der Salzauswahl ist es wichtig zu beachten, dass es um jodfreies Salz handelt. Nicht umsonst wird Jod dazu verwendet Wunden zu desinfizieren, es tötet nämlich Bakterien ab. Unbehandeltes Meersalz, Steinsalz oder koscheres Salz sind daher eine gute Wahl. Ein weiterer wichtiger Punkt, den es zu beachten gibt, ist die Temperatur. Milchsäurebakterien mögen es kuschelig warm. Möchtest du beispielsweise deinen eigenen Yoghurt herstellen, musst Du die Temperatur möglichst konstant bei circa 40°C halten. Für die Herstellung von Sauerkraut ist Raumtemperatur ausreichend. Du wirst jedoch feststellen, dass die Fermentation im Sommer viel schneller vonstattengeht als im Winter. Wie auch bei vielen chemischen Reaktionen gilt bei diesem Prozess, je wärmer, desto schneller. Nur dass es den Bakterien ab einer bestimmten Temperatur zu heiss wird und sie sterben. Da wären wir bei der Pasteurisation und Sterilisation, aber dazu ein anderes Mal.